Hallo zusammen
Meine Kindheit verlief in einem neutralen Land westlich des Eisernen Vorhangs. Neutral vor allem wegen der automobilen Markenvielfalt, da ohne eigene Autoindustrie. Oder wenigstens fast, siehe dazu weiter unten. Da in diesem Forum Deutschland die Norm ist, beleuchte ich hier auch Aspekte, die aus ost- oder westdeutscher Sicht nicht selbstverständlich scheinen mögen.
Schon früh mischten dank eines Importeur-Pioniers fernöstliche Japaner mit, die nahöstlichen Billigautos beschränkten sich auf Lada und Skoda. Letztere fristeten ein Schattendasein, weshalb es nicht erstaunt, dass unsere Familie westliche Marken besass. Gewisse Umstände (z.B. Leben in einer Stadt) erlaubten es schon in den 70er- und 80er-Jahren (Hochblüte meiner Kindheit) auch ohne Auto auszukommen. Heute übrigens nur umso mehr, da der öV seither noch ausgebaut wurde. Die für meine Kindheit charakteristischen Busse von Saurer, FBW oder NAW wurden aber leider zugunsten von globalem Einheitsbrei-Herstellern wegrationalisiert.
Meine Eltern hatten in meinen ersten Lebensjahren kein eigenes Auto (nicht wegen einer sozialistischen Wartefrist, sondern weil das günstiger war, und in unserer Kleinstadt problemlos ging). Das erste Auto, das irgendwie zu unserer Familie gehörte, war deshalb die graue 2-türige Limousine Opel Rekord A 1.7 Jg. 1963 meiner Grossmutter. Davon habe ich leider kein Bild. Bei Bedarf chauffierte zuweilen sie uns, oder wir durften, z.B. einen Urlaub lang, ihr diesen Wagen ausleihen.
Ab Ende 1977 hatten wir dann unser eigenes neues Auto. Das war ein knallig oranger Renault 4 Safari, damals neu gekauft. Hier ein Beweisbild. Die Behörden brauchten damals noch Schwarzweissfilme, weshalb die modische Farbe nicht zur Geltung kommt. Man beachte übrigens das Nummernschild. Schon damals war das standardisierte Format „hoch“ auf eine auch bei Amerikanern passende Grösse reduziert. Die Zahlen habe ich unkenntlich gemacht. Diese Nummer kam später wieder in den Umlauf und hat heute mit meiner Geschichte nichts mehr zu tun.
1982 mussten wir aus finanziellen Überlegungen unser eigenes Auto wieder aufgeben. Deshalb wurde der nächste Wagen meiner Grossmutter wieder wichtig. Das war eine dunkelgrüne zweitürige Limousine Opel Rekord C 1900S von 1971. War wohl in Deutschland der 1700L die häufigste Version, war hierzulande der 1900S die Norm. Schliesslich gab es aus Biel „einheimische“ Opel, Chevrolet Vauxhall, Cadillac etc., die „Montage Suisse“ von GM Schweiz, deren Charakteristika auf den einheimischen Markt zugeschnitten waren. Ohne Zusammenhang mit unseren Familienkutschen ist auch die Geschichte des hiesigen VW-Importeurs AMAG interessant. Das mag erklären, wieso weniger neutrale Argumente wie das Unterstützen einheimischer Arbeitsplätze durchaus den Kauf eines Wagens aus dem wilden Westen zur Folge haben konnte – daher die heute noch geltende Normgrösse der hinteren Nummernschilder (Format „hoch“. Das Format „lang“, war und ist hinten gleich gross wie die der meisten europäischen Länder).
Auch hier habe ich leider kein Bild des beschriebenen Autos.
Schon bald darauf, 1984, beschloss meine Grossmutter, mit dem bald fälligen Abwracken dieses Rekords auch gleich mit Autofahren aufzuhören, weshalb meine Eltern sich dann wieder für ein eigenes Auto entschieden. Das war ein weisser Talbot Horizon GL 1.3 als Neuwagen aber mit Jahrgang 1983 und leichtem Hagelschaden. Hauptsache war eine günstige Gelegenheit. Dieses Auto hatten meine Eltern dann bis 1996. Auf dem Bild (1991) kann man gut erkennen, dass wir hier das Nummernschild meiner Grossmutter übernommen hatten. Das heisst, nicht nur die Zahlenkombination, sondern gleich das grossformatige Blech von 1958. Es reichte damals eine handschriftliche Verzichterklärung ihrerseits, damit wir zu ihrer vierstelligen Nummer kamen (damals war die laufende Nummerierung dieses Kantons schon über 100'000). Da meine Eltern diese Zahlenkombination meine Grossmutter (allerdings ab 1996 auf zeitgenössisches Blech geprägt) noch immer spazierenfahren, ist die Zahl hier unkenntlich gemacht.
Man merke bei dieser Gelegenheit: unsere Autonummern sind nicht auf den Wagen eingelöst, sondern auf den Halter. Lebt also ein Autobesitzer von 18 – 88 Jahren im selben Kanton, kann er ein Autofahrerleben lang die gleichen Zahlen behalten, vom Brezelkäfer bis zum Golf V. Heute ist übrigens ein einfaches Übertragen der Nummer nicht mehr möglich, auch nicht innerhalb der Familie. Zurückgegebene Nummernschilder (z.B. wegen Wohnortwechsel in einen anderen Kanton) werden vom Amt eingesammelt, bleiben ein Jahr lang brach und werden dann wieder in Umlauf gebracht. Sind die Nummern besonders niedrig oder sonst irgendwie schnapszahlig, können sie von allen potentiellen neuen Fahrzeugzulassern oder Bisher-Haltern ersteigert werden, was teilweise ziemlich ins Geld gehen kann. Dieses Vorgehen scheint aber zu funktionieren und die Wunschnummern füllen die Staatskassen.
Übrigens fahre ich heute wieder einen Talbot-Youngtimer. Auch dieser hat ein Kontrollschild, das gilt als zeitgenössisches Outfit (siehe am Gepäckträger). Noch mehr dazu als Film, aber in Dialekt.
Das alles ist eigentlich für eine Familie in unserem Land recht unspektakulär, aber enthält vermutlich für einige von euch ein paar unbekannte Elemente.